Eine kleine Warnung vorweg, dieser Text ist ein umfangreicher Erfahrungsbericht und dient als Einstiegspost zum Verständnis. Wer hier also auf knackige Tipps und Tricks für die Selbstständigkeit hofft, sollte lieber den Blogeintrag „Selbstständig als Grafikdesigner/in und Illustrator/in“ lesen, hier wird nämlich alles genau behandelt. 😉 Aber vielleicht kann der eine oder andere meine persönlichen Erfahrungen nutzen, oder erkennt sich selbst darin wieder. 🙂
Ich bin nun seit knapp vier Monaten auf selbstständigen Fuß unterwegs. Bis es allerdings zu diesem Entschluss und der Umsetzung meiner Freiberuflichkeit kam, verging einige Zeit.
Nach meiner Grafikdesign-Ausbildung bewarb ich mich in einer Hamburger Werbeagentur und bekam einen Platz als Grafik-Praktikantin, und das obwohl ich eigentlich nie in die Werbung wollte. Das Bild, was ich von schlechter und aufdringlicher Werbung in meinem Kopf hatte, widersprach meinem kreativen Impuls und dem Gedanken von wirklich gutem Design. Nun, manchmal gehen wir andere Wege, als eigentlich gut für uns gut wären. Denn kurz nach dem Einstieg ins Berufsleben überkam mich dann auch eine Gewissenskrise, bei der ich zwischen meinem kreativen Schaffensdrang und der vorgesetzten Arbeitswelt abwägen musste. Zu dieser Zeit hatte ich Aussicht auf eine Festanstellung. Nach einigen Überlegungen und Abwägungen wurde mir bewusst, was ich in diesem Moment eigentlich erstmal wollte, nämlich Geld verdienen.
So gab ich der Werbung eine Chance, und dachte Arbeit ist Arbeit und muss auch angenommen und erledigt werden, mit der Zeit wird es bestimmt ein wenig kreativer und gestalterisch anspruchsvoller. Genau das sollte nicht passieren. Die Arbeit war zum Teil ok, mit Stress, Druck, manchmal genervten Kollegen und unbezahlten Überstunden verbunden, so wie man sich einen Agenturjob eben vorstellt. Was ich sehr schätze war trotz allem das kollegiale, manchmal schon familiäre, Miteinander der Kollegen. Aber mit der Zeit wurde ich immer unzufriedener und konnte mir nicht recht erklären, woher dieses Gefühl der vollkommenen Frustration kam. Gerade als ich anfing mit dem Gedanken zu spielen, in eine andere Agentur zu wechseln, wurde ich nach 2 1/2 Jahren gefeuert.
Die Agentur kam mir also zuvor, und so überlegte ich, was ich als nächstes machen wollte. Auf keinen Fall in die Werbung zurück, das stand fest. Da ich aber noch eine zweite Leidenschaft hatte, nämlich alles was sich rund ums Thema gesunde Ernährung dreht, bewarb ich mich an der HAW in Hamburg Bergedorf für ein Studium der Ökotrophologie. Meine Neuorientierung wurde auch durch den Gedanken bestärkt, dass meine Aussicht, in der Kreativbranche einen passenden Arbeitsplatz für mich zu finden, verschwindend gering ist. Vor allem, weil ich mit meiner eigenen Vorstellung von Arbeit und meiner damaligen Sicht auf die Dinge einfach keine guten Möglichkeiten für mich sah. Ich selbst wollte kreatives und ausgefallenes Design entwerfen, was zu diesem Zeitpunkt nicht mit der Arbeits- und Denkweise vieler Agenturen zusammen passte. Wieso also nicht gleich einen Neustart wagen?
Die Aufnahme an der HAW klappte, so dass ich mein Studium anfangen konnte. Schon nach dem ersten Semester bemerkte ich aber, dass ich mit dem System und den Anforderungen nicht wirklich zurecht kam und zum Teil nicht einverstanden war. Ich wollte eigentlich weg von der dauerhaften Überarbeitung ohne Ausgleich, und geriet in meinem Studium trotzdem wieder in den gleichen Teufelskreis. In der Uni zum Teil von früh bis spät sitzend und lernend, plus aller internen Praktika machten den Großteil meiner Zeit aus. An Freizeit war kaum mehr zu denken und ich fühlte, wie sich von Semester zu Semester die emotionale Zwangsjacke immer enger zog. Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass mir der graue Büffel-Bunker mehr und mehr Lebensenergie entzog und ich mich nur noch zur Uni in die Vorlesungen schleppte. Ich dachte, bei all dem Stress kann ich doch keine richtige Entscheidung treffen, ob ich das Studium nun wirklich will oder nicht. Also wollte ich mir mehr Zeit geben, obwohl mir mein Gefühl seit dem ersten Semester sagte: „Bloß weg hier!“. Im Endeffekt merkte ich im dritten Semester, dass es Studenten gab, die trotz der vielen Nerverein und des Stresses einfach noch Spaß an ihrem Studium hatten, etwas was bei mir komplett fehlte. Ich war kaputt, müde und erschöpft und so fiel die Entscheidung, mein Studium zu beenden, ziemlich plötzlich auf dem Weg nach Hause während der Busfahrt. Ich bereue diese Entscheidung bis heute nicht und habe keinen einzigen Tag wehleidig daran zurück gedacht.
Schon während meines Studium dachte ich über einen Plan B nach, falls es mit der Ökotrophologie nicht klappen sollte. Ausschlaggebend war an dieser Stelle auch mein Freund, der bereits seit mehr als fünf Jahren erfolgreich selbstständig war und mir täglich vorlebte, wie es sein kann, seine Arbeit selbstständig und frei zu gestalten. Genauso etwas wollte ich auch! Mir wurde langsam bewusst, dass meine Arbeit in der Werbeagentur einfach den falschen Bedingungen unterlag, und ich eigenständiger und freier in meiner Arbeitsweise und meinen Entscheidungen sein wollte. Meine Arbeit als Designerin liebe ich, genauso sehr wie das Illustrieren. Deshalb entschloss ich mich den Schritt in Richtung Selbstständigkeit zu wagen und meinen eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen nachzugehen, ohne Zwang und sinnlose Vorschriften von oben. So was ist zwar immer leichter gesagt als getan, aber mein Gefühl hatte mich die ganze Zeit über gewarnt und ich habe es aus Unwissenheit und Unsicherheit ignoriert.
Nun war die Zeit während der Agentur und meines Studiums nicht völlig vergebens und ich habe viel kennen- und dazugelernt. Aber meine eigene kreative Ader konnte ich in dieser Zeit nicht wirklich ausleben, und das war es, was mir schlussendlich die ganze Zeit über fehlte. Mein kreativer Schaffensdrang ist ein sehr ausgeprägter Charakterzug von mir, der bis dato selten zum Einsatz kam und immer wieder mit den Sprüchen: „Selbstverwirklichung kannst du zu Hause oder nebenbei machen“, „Arbeit ist eben Arbeit“, „von irgendwas muss ich meine Rechnungen zahlen“ oder „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ niedergestreckt wurde. Am Ende hat es mich trotzdem nicht glücklich gemacht. Was ich während meiner Ausbildung gelernt hatte, kreativ und spielerisch Ideen auszuarbeiten und umzusetzen, fehlte in meiner Arbeitswelt fast gänzlich und irritierte und verwirrte mich. Am Ende nahm es mir Stück für Stück einen Teil meiner Persönlichkeit und sorgte so für den Frust, den ich zum Schluss meiner Agenturzeit deutlich spürte.
„Leidenschaft ist das was du gern tust, auch wenn es scheiße läuft.“
Auch mein Studium lehrte mich den Unterschied zwischen etwas was man gerne mag und kann, und einer Leidenschaft. Ich beschäftige mich gern mit dem Thema gesunde Ernährung und dem Zubereiteten von Gerichten, das mache ich sogar sehr gern, aber es reicht eben nicht aus um mich innerlich so auszufüllen, dass ich daraus einen kompletten Job machen möchte. Im Gegenteil dazu ist Design meine ausgeprägtere Leidenschaft, und diese unterscheidet sich einfach darin, dass sie mich komplett ausfüllt und vorantreibt, selbst dann wenn ich mal keine Lust habe. Man könnte es auch so sagen, Leidenschaft ist das was du gern tust, auch wenn es scheiße läuft.
Nach meiner Exmatrikulation setze ich also die Weichen für den Weg ins selbst bestimmte Arbeiten. Was genau ich geplant und wie ich vorgegangen bin, lest ihr dann in den nächsten Blogeinträgen.
Ich bedanke mich herzlich bei all den Lesern, die diese persönlichen Zeilen bis zum Schluss gelesen haben. Ich würde auch gern eure Erfahrungsberichte hören. Wie habt ihr den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt, was war vielleicht euer ausschlaggebender Grund die Richtung zu wechseln? Ich freue mich sehr über eure Kommentare oder den persönlichen Austausch. 🙂